Die Dekanatsjugendkirche »Way to J« hat einen Preis für eine ziemlich ungewöhnliche Fastenaktion gewonnen • Von Nils Sandrisser

SELTERS. Im überwiegend katholischen Westerwald treffen sich jede Woche junge Menschen in der Dekanatsjugendkirche. Sie selbst bestimmen, wie sie das Evangelium verbreiten möchten – und haben damit Erfolg.

»Lügen haben kurze Beine«, meinen die Mitglieder Dekanatsjugendkirche »Way to J« in Selters. Pfarrer Werner Schleifenbaum (rechts) diskutiert oft mit den Jugendlichen aktuelle Themen.

Werner Schleifenbaum lächelt milde. »Ich war dagegen, das geb‘ ich ehrlich zu.« Er meint den Namen »Way to J«, englisch für »Weg zu Jesus«, den die Dekanatsjugendkirche trägt. »Aber ich konnte mich nicht durchsetzen.« Das muss er aber auch nicht immer, findet er: »Jugendarbeit funktioniert heute nur noch so, dass man Räume für die jungen Leute öffnet, den sie dann selbst ausfüllen.«

Diese Räume füllen die Mitglieder der Dekanatsjugendkirche Selters mit Begeisterung. Bei der Ideenmesse der Landeskirche im September in den Wiesbadener Rhein-Main-Hallen haben sie einen Preis gewonnen, den das Publikum vergeben hatte. »Deswegen ist das ein ehrlicher Preis«, grinst Claus Bartels. Der junge Mann erklärt: »Die Besucher dort waren von unserer Fastenaktion überzeugt.« Aber einfach nur auf ein bisschen Essen zu verzichten, das war ihm und seinen Mitstreitern zu wenig. Also haben sie sieben Wochen lang sich des Lügen enthalten.

Wer die Wahrheit sagt, wird nicht unbedingt einsam

»Ich hab‘ in meinem Bekanntenkreis Bescheid gesagt, dass sich alle dort auch auf die Wahrheit einstellen konnten«, erzählt Katharina Isack. Einsam ist es um die Studentin daraufhin aber nicht geworden, als sie auf Fragen wie »Gefällt Dir mein Geschenk?« wahrheitsgemäß antwortete. Andere aus der Gruppe haben zusätzlich auf weitere Dinge verzichtet: auf Zigaretten, Alkohol oder Fastfood. Diese Aktion hat »Way to J« großes Medieninteresse eingebracht. Zeitungen und lokale Radiosender berichteten darüber.

Auslöser für diese Aktion waren die Affären um die Plagiate bei Doktorarbeiten und um den Rücktritt des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. »Das sind die Dinge, über die wir uns unterhalten, wenn wir hier in der Runde sitzen«, meint Schleifenbaum. Außerdem planen sie hier Gottesdienste vom ersten Lied bis zum letzten Amen, schreiben Predigten und Fürbitten.

Gottesdienst im Fitnessstudio

Am Reformationstag haben sie einen ökumenischen Gottesdienst in einem Fitnessstudio gehalten. »Wir haben gemerkt, dass Menschen eher mal in eine Andacht gehen, wenn sie nicht in einer Kirche ist«, erklärt Isack. Alle zwei Monate wollen sie irgendwo im Dekanat einen Gottesdienst gestalten. Jeder im Team spielt dabei eine Rolle, ob er nun die Fürbitte verliest oder in der Band musiziert. »Das braucht immer unheimlich viel Vorbereitung«, sagt die Studentin.

Ein interkonfessioneller und interreligiöser Ansatz

Im überwiegend katholischen Westerwald verfolgt der Theologe mit seiner Gruppe einen interkonfessionellen und interreligiösen Ansatz. Die Hälfte der Jugendlichen, die dem »Way to J« folgen, sind evangelisch, die anderen katholisch. Sogar ein Muslim ist dabei. Schleifenbaum hat sich mit dem Imam unterhalten, ob das auch in Ordnung geht. Der Imam sah darin kein Problem.

Denn hier finden die jungen Menschen echte Gemeinschaft.

Auch Katharina Isack fühlt sich hier gut aufgehoben. »Wir haben zusammen etwas aufgebaut«, sagt sie. »Das ist sehr familiär hier. Das heißt aber nicht, dass Leute, die neu zu uns kommen, gegen Wände laufen.« Und für den englischen Namen der Jugendkirche argumentiert sie ganz pragmatisch: »Es klingt einfach cooler, und das zieht eben mehr Leute an.« Auch Schleifenbaum scheint mittlerweile mit dem Namen versöhnt. Denn immerhin hat seine Jugendkirche Erfolg: »So bekommt man immer noch jede Woche die Jugendlichen zusammen«, betont er. »Obwohl viele vom Gegenteil überzeugt sind.«