Jugendherberge Wiesbaden – 94 Delegierte aus 20 Dekanaten und etwa 41 Gäst*innen, Referent*innen und Hauptberufliche treffen sich zum ersten Mal in der Legislatur des neu gewählten Vorstandes.
Neben dem Konferenzteil mit Grußworten von Dr. Birgit Pfeiffer (Präses der EKHN Synode), Dr. Melanie Beiner (Oberkirchenrätin und Dezernentin „Kirchliche Dienste“ der EKHN) und Lina Schormann (Evangelische Jugend der EKKW), war Dr. Dr. hc. Volker Jung (Kirchenpräsident der EKHN) für einen Talk zu Gast.

Bereits freitags reisen die meisten Delegierten, Interessierten und Hauptamtlichen zur Vollversammlung an. Neben einer interaktiven Einführung für Erstbesuchende, findet auch die Konferenz der Regionalen Geschäftsführenden statt. Die Vollversammlung steht unter dem Motto „Lass mich doch in Frieden!“.

Besonders samstags wird sich in insgesamt acht Workshops dem Thema Frieden auf unterschiedliche Weise genähert. So entstehen in einem Schreibworkshop „Frieden schreiben“ Briefe, Gedichte, Manifeste und echte Kunstwerke. Die Betzavta-Methode, eine Methode für demokratische Aushandlungsprozesse, kann man in „Frieden stiften“ und gewaltfreie Kommunikation in „Frieden sprechen“ kennen lernen. Bei „Frieden finden“ ging es um Frieden und Sterben. Jede*r von uns, auch der Jugendverband setzt sich bereits für Frieden ein. Im Workshop „Frieden diskutieren“ werden konkrete Projekte geplant, um den Prozess hin zu positivem Frieden zu unterstützen.

Am Sonntag spricht Dr. Birgit Pfeiffer ein Grußwort zum Plenum und nimmt Bezug auf die kürzlich veröffentlichte ForuM-Studie und gibt zu: „Wir haben in der Vergangenheit zu wenig hingeschaut. Es wird immer und überall Täter*innen geben“ und spricht den Delegierten zu „Ihr lasst weniger zu als damals, ihr seid stark!“ und fordert auf „Helft mit, bei Prävention und Intervention!“
Vor 16 Jahren bereits hat die EJHN eine Selbstverpflichtungserklärung und einen Verhaltenskodex veröffentlicht, der von jugendlichen Teamer*innen unterschrieben wird. Dekanatsjugendreferent*innen sind in der Regel die Präventionsbeauftragten, die Schulungen zu Kindeswohl durchführen und Präventionskonzepte vermitteln.

Auch Dr. Melanie Beiner spricht ein Grußwort. Zum Thema sexualisierte Gewalt spricht sie darüber, was aktuell getan wird sei „noch nicht genug und nicht durchgängig mit der richtigen Haltung“ und „wir haben zu wenig hingeschaut“. Betroffene seien für das Leben gezeichnet.
Sie verfolge die jugendpolitische Arbeit der EJHN e. V. unter anderem auf Instagram. Die EJHN sei ihr ein Vorbild, die politischen Statements des Jugendverbands der EKHN seien großartig. Auch für die EKHN richtungsweisende Anträge würden beraten und die inhaltliche Arbeit sei sehr wertvoll und stets aktuell.
Lina Schormann spricht in ihrem Grußwort von der Schließung der Jugendbildungsstätten der EKKW, die „an der Jugend vorbei“ und „ohne Partizipationsmöglichkeit“ geschehen sei. Als Evangelische Jugend haben sie sich zur Aufgabe gemacht, mehr Partizipation für Jugendliche zu fordern und in den Strukturen der EKKW zu verankern, damit zukünftig nicht mehr „über die Köpfe der Evangelischen Jugend“ entschieden werden kann.

Talk mit dem Kirchenpräsidenten

Samstagnachmittag – der Kirchenpräsident Volker Jung ist zu Gast und stellt sich den Fragen der Vorsitzenden der EJHN e.V. Johanna Schütz und Jeremy Sieger sowie des Plenums.
Zum Einstieg beantwortete er die Frage nach seinen wichtigsten Aufgaben als Kirchenpräsident. „Ich bin das gerne!“ Aufgrund der vielfältigen und herausfordernden Themen und Aufgaben schöpfe er Kraft aus dem Evangelium. Er halte regelmäßig Gottesdienste. Auch ein Coaching helfe ihm für die Einordnung und die Stressbewältigung. Die Tageslosung lese er regelmäßig vor der Erledigung seiner täglichen Agenda, bete Luthers Morgensegen und denke unter anderem an Familie, Freund*innenkreis und den Frieden.

Dem Säkularisierungstrend und der Bereitschaft, aus der Kirche auszutreten, den die sechste KMU (Kirchenmitgliedsuntersuchung) ausweist, könne man nur entgegentreten, in dem wir alle für die christlichen Überzeugungen und das christliche Zeugnis eintreten.
Die Frage, was ihm in den Sinn komme, wenn er den Titel der 44. Vollversammlung „Lass mich doch in Frieden!“ höre, antwortete er, es sei aus dem Evangelium heraus unsere Aufgabe, nach Frieden zu streben und diesen aufrecht zu erhalten. Dies beginne mit unserem unmittelbaren Umfeld. Bezüglich gesellschaftlicher Zusammenhänge sei zu beobachten, dass Demokratie nicht mehr selbstverständlich sei. Er führte dazu aus, dass rechtsextreme, völkisch nationale Ideologien außerhalb unserer Demokratie seien. „Da müssen wir gegen vorgehen“. Zu Bewahrung des innerkirchlichen Friedens, betonte er die Wichtigkeit des interreligiösen Dialogs. Was Gesellschaft ausmache, passiere auch in Kirche. EJHN lege genau dort „den Finger in die Wunde“ und fordert auf „weitermachen“! Wie mit AfD-Mitgliedern, die sich in Kirche engagieren, umgegangen werden soll, bewertete er als große Herausforderung. Er sieht es als wichtig an, klare Grenzen zu ziehen und zugleich den Diskurs zu suchen.
Gewalterfahrungen machen Menschen in unterschiedlichen Zusammenhängen, so auch in Kirche. Daher hatte die EKD einen unabhängigen Forschungsverbund mit der nun vorliegenden Studie beauftragt. Weiter berichtet er, es sei verabredet worden, dass die Ergebnisse der Kirchenleitung erst nach der Veröffentlichung vorgelegt werden, um die umfängliche Akteneinsicht zu gewährleisten, wurde zu diesem Zweck das Datenschutzrecht geändert. Die Aufgabe der Studie war es, systemische Risiken aufzudecken. Denn, so Jung, „jeder Einzelfall ist einer zu viel“ und „wer jetzt bei dieser Studie überrascht tut, der hat die letzten Jahre die Augen verschlossen“.
Die entschiedene Umsetzung von vorliegenden Schutzkonzepten, die die Prävention und Intervention zum Inhalt haben seien essenziell. Eine unabhängige Anerkennungskommission arbeite Altfälle auf und lege Anerkennungszahlungen fest, diese würden ohne Nachfrage gezahlt. Es brauche viel mehr Aufmerksamkeit, da sexualisierte Gewalt kein Thema der Vergangenheit sei.

Intensive und konstruktive Antragsdebatten

Ein großer Punkt am Sonntag stellt die Antragsdebatte zu nominell neun Anträgen von Dekanaten, Propsteien und vom Vorstand dar. Die Delegierten debattieren intensiv und zugleich durchgehend konstruktiv und sachlich über die gestellten Anträgen u.a. zu wichtigen Themen für kommende Vollversammlungen, der Einführung von Stellvertretungen für die Jugenddelegierten in den Dekanatssynoden, sowie der Gewährung des Stimmrechts von jungen Menschen in Kirchenvorstand und Dekanatssynode ab der Religionsmündigkeit. Auch eine Petition für eine antifaschistische Kirche wurde intensiv diskutiert und zum Verbot von gendersensibler Sprache in bayrischen Behörden und den Abiturprüfungen in Hessen wurde klare Stellung bezogen.

Die Evangelische Jugend in Hessen und Nassau e.V. ist der selbständige Jugendverband der EKHN. Sie vertritt die jugendpolitischen Belange der kirchlich getragenen und verantworteten Arbeit von, für und mit Kinder(n) und Jugendliche(n) und damit die Interessen von Kindern und Jugendlichen, Ehrenamtlichen und Hauptberuflichen im gesamten Arbeitsfeld Kinder und Jugend gegenüber Kirche, Staat und Gesellschaft.

Darmstadt, 28.03.2024

Der Vorstand der EJHN e.V.