Pressemitteilung Mai 2023

Wut und Trauer nach Beschluss der EKHN Kirchensynode

Kirchenparlament entscheidet sich gegen Jugend und für Verwaltung

Dominikanerkloster Frankfurt – 3. Tagung der XIII. Kirchensynode der EKHN

„Endlich wieder zu Hause!“ – So begann die Synodentagung der 13. Kirchensynode der EKHN nach langer Corona-Phase wieder in „ihren“ Räumlichkeiten. Zum Ende der Tagung entschied sich die Synode jedoch mit großer Mehrheit in einem Beschluss gegen das Zuhause der Evangelischen Jugend in Hessen und Nassau, die Jugendbildungsstätte Kloster Höchst im Odenwald.

Nach einem langen, vorangegangenen Prozess beauftragte die Synode die Kirchenleitung im Herbst letzten Jahres mit der Prüfung, ob eine Umnutzung für das Kloster Höchst angestrebt oder der Tagungsbetrieb weitergeführt werden soll.

Am Samstag, den 29.04.23 entschied sich die Synode nun nicht nur für eine Umnutzung, sondern für die Prüfung eines Verkaufs des Kloster Höchst. Damit sprach sie sich klar gegen den Vorschlag der Kirchenleitung aus, die nach inhaltlichen Auseinandersetzungen mit der Evangelischen Jugend und einer Prüfung der Fakten den Weiterbetrieb des Klosters vorgeschlagen hatte. Im vorangegangenen Prozess hatte die Synode bereits die Jugendburg Hohensolms veräußert, die nun als privates Internat genutzt wird.

Damit schließt die EKHN innerhalb von zwei Jahren beide Jugendbildungsstätten.

Nach der Entscheidung der Synode verließen einige Mitglieder der Kirchenleitung den Sitzungssaal, um sich bei den Jugendlichen, die vor Ort waren, zu entschuldigen.

Die Kirche in Hessen und Nassau entscheidet sich, aktiv in der Jugend stark einzusparen.

Nun stellt die Evangelische Jugend in Hessen und Nassau die Frage: Welche Haltung gegenüber Kindern und Jugendlichen wird in dieser Entscheidung deutlich?

Thema 1: Haltungsfrage

Klar ist: Die Synodalen zeigten kaum Interesse an der Frage: Wollen wir ein weiteres Gebäude für die Verwaltung oder wollen wir einen Ort für unsere Jugend und damit eine Investition in die Zukunft unserer Kirche?

Im Gegenteil: Die Stimmung im Saal war aufgeladen und unruhig, mit eindeutigen Ressentiments gegenüber jungen Menschen, was durch diskriminierende Zwischenrufe und Klatschen der Synodalen deutlich wurde. Ein Spiegel für die Prioritäten der zweitreichsten Landeskirche der EKD. Ein großer Teil der Synodalen verhielt sich demnach nicht der Präambel der Kinder- und Jugendordnung der EKHN entsprechend. Sie schenkten den Jugendlichen kein Gehör, respektierten ihre Entscheidungen nicht und zeigten ihnen gegenüber ein großes Maß an Unverständnis. Der Jugenddelegierte Jeremy Jason Sieger musste während seines Redebeitrags um Aufmerksamkeit bitten, da Synodale mit Nebengesprächen und dem Verlassen des Saals beschäftigt waren.

Damit wird deutlich: Die wohlwollende Haltung Kindern und Jugendlichen gegenüber steht lediglich auf dem Papier und wird im synodalen Kontext leider kaum spürbar. Inhaltliche und konstruktive Ebenen wurden verlassen.

Auch die gänzlich neue Situation durch den bereits erfolgten Verkauf der Jugendburg Hohensolms wurde von den Synodalen nicht als solche wahrgenommen. Stattdessen wurde mit der Bemerkung „Wir diskutieren dieses Thema seit über 15 Jahren und seit gefühlt 14 Jahren habe ich kein neues Argument mehr dazu gehört” die Begrenzung der Redezeit auf zwei Minuten und das Ende der Redeliste begründet.

Thema 2: Unwissen

Deutlich wurde ebenfalls das Unwissen der Synodalen über den eigenen Jugendverband. Doch damit nicht genug: Viele Synodale zeigten kaum politisches Verständnis für den Jugendverband ihrer Kirche. Beschlüsse der Vollversammlung der Evangelischen Jugend in Hessen und Nassau wurden mit Anekdoten aus dem eigenen Gemeindeleben beiseite gewischt und das Recht auf Selbstorganisation und Selbstbestimmung des eigenen Jugendverbands damit ignoriert. Auch das fehlende Wissen zur Beschlusslage, zum vorangegangenen Auftrag an die Kirchenleitung und zu den Auswirkungen des gefassten Beschlusses werfen Fragen nach dem Interesse, den Prioritäten und den Kompetenzen der Synodalen auf. War es doch gerade diese Synode, die auf ihrer vorangegangenen Tagung mit deutlicher Mehrheit die Kirchenleitung beauftragt hatte, zu prüfen, ob ein Weiterbetrieb als Jugendbildungsstätte denkbar wäre. Trotzdem stellten einige Synodale die Frage, warum dieses Thema nun „schon wieder“ hier auf der Synode sei. Sie hatten ihren eigenen Beschluss vergessen.

Selbst der Inhalt des im letzten Jahr verabschiedeten „Zukunftskonzept Kinder und Jugend“ und damit der Beschluss „Zeiten und Orte für Kinder und Jugendliche zu ermöglichen, in denen sie unverzweckt und frei von gesellschaftlichen Ansprüchen da sein können, ihre unterschiedlichen Gaben und Prägungen als wertvoll und gewinnbringend für die Gemeinschaft erleben und sich entwickeln können“ war den Synodalen nicht mehr bewusst.

Ein Gegenargument für den Erhalt des Klosters seitens der Synodalen war zudem die Priorisierung der Räume in der Region. Doch im vergangenen Jahr wurde eine entsprechende Initiative im Prozess zu den Nachbarschaftsräumen ebenfalls nicht unterstützt, die das Ziel hatte Räume für Kinder und Jugendliche besonders zu schützen.

Der Prozess zwischen EJHN und Kirchenleitung in den vergangenen Monaten gestaltete sich dagegen deutlich konstruktiver. An eine gemeinsame Diskussion konnten Lösungsvorschläge mit konkreten Ergebnissen anschließen. Diese kommen nun aber nicht mehr zum Tragen.

Reaktionen

Drei Tage nach der Entscheidung wandte sich Propst Stephan Arras der Propstei Starkenburg an den Vorstand der EJHN: „Immer wieder wird ja betont, wie wichtig die Jugend sei. Wenn es aber darauf ankommt, scheint in unserer Kirche eher wenig Interesse an der Arbeit von und mit Jugendlichen zu bestehen. Ich hätte erwartet, dass der Beschluss der EJHN-Vollversammlung mehr Gewicht hat. Ich hätte erwartet, dass sich die Synode für einen Ort der Begegnung einsetzt. Stattdessen investieren wir in neue Bürogebäude (die schon bald niemand mehr braucht) und in eine extrem teure Verwaltung.“ Arras machte zudem deutlich, dass „Jammern nicht hilft“ und sich nun Gespräche zwischen Jugendverband und Kirchenleitung anschließen müssen, wie es mit „guten Räumen“ weitergeht. Denn auch für die Evangelische Jugend ist klar: Es muss weitergehen. Jugend braucht Räume.

Auch auf den sozialen Medien häuften sich Trauer- und Solidaritätsbekundungen nach der Synodenentscheidung. “Unfassbar… Da fragt man sich, warum man sich für Kirche engagiert”, schrieb eine Userin. “Mindestens genauso schlimm wie die Entscheidung ist meiner Meinung nach eigentlich die Debatte. Ich war schockiert wie teilweise schon respektlos mit dem demokratischen Willen der Jugenddelegierten umgegangen wurde”, kommentierte Marius Voellinger als ehemaliges Vorstandsmitglied der EJHN auf Instagram. Dekanatsjugendreferent Marco Herrlich schrieb auf Facebook: “Wenn wir mal anfangen, Gemeindegottesdienste an Auslastung zu bewerten, dann wird es in unserer Kirche leider sehr schnell düster. Schade, dass wir an einer Stelle wirtschaftliche Kriterien anlegen und diese uns an anderer Stelle total egal sind.” Der Dekan Carsten Stein des Dekanats Odenwald kommentierte: “Das Problem ist, dass jetzt eine Entscheidung auf Grundlage von veralteten und nicht aktuellen Fakten getroffen wurde. Das ist schade.”

Thema 3: Konsequenzen

Die Entscheidung der Synode gegen die Jugendbildungsstätte Kloster Höchst im Odenwald hat weitreichende Auswirkungen für die Arbeit mit, von und für Kinder(n) und Jugendliche(n). Denn die Tagungshäuser, die für große Gruppen noch zur Verfügung stehen, lassen sich an einer Hand abzählen. Hinzu kommt, dass diese meist deutlich teurer sind als die kirchlichen Jugendbildungsstätten. Fazit: Die Arbeit wird teurer, während die Mittel für diese weiter gestrichen werden.

Auf der anderen Seite werden Gruppen und Gemeinden in Regionalisierungsprozessen zusammengelegt und damit zahlenmäßig stärker. Wo sollen jetzt Konfirmand*innengruppenfahrten, JuLeiCa-Kurse, Probenwochenenden von Chören, jugendpolitische Bildung, kirchliche Jugendpolitik und Jugendbegegnungen stattfinden? Evangelische Jugend braucht große Tagungshäuser.

Der Verlust von zwei Jugendbildungsstätten in kurzer Zeit bedeutet für viele Synodale einen Fortschritt in einem Sparprozess. Doch die Konsequenzen der Entscheidung trägt nicht die Synode. Für den Jugendverband der EKHN bedeutet dieser Verzicht weit mehr als den Verlust eines Hauses. Die Situation jener 20 Angestellten im Kloster, die ihren Arbeitsplatz trotz der unsicheren Lage noch nicht aufgegeben und darauf gesetzt hatten, dass das Kloster Höchst ein gastfreundliches Haus der Evangelischen Jugend bleibe, spielte für die Synodalen in der Debatte nicht die geringste Rolle. Für den Jugendverband beginnt so die Arbeit der vergangenen Jahre erneut von vorne. Lösungen für eine synodal geschaffene Problematik müssen ehrenamtliche Jugendliche finden und auf ihren eigenen Schultern tragen. Denn es steht außer Frage: Konkrete Lösungen für die Hausproblematik der Evangelischen Jugend werden Jugendliche in den nächsten Monaten mit hohem Zeit- und Gelddruck finden müssen. Mit Unterstützung seitens der Synodalen können sie dabei nicht rechnen.

Thema 4: EKHN 2030 – Spardruck

Letztendlich zeigt sich der Transformationsprozess ekhn2030, den die EKHN wegen der sinkenden Mitgliederzahlen gegenwärtig führt, in der Realität als ein massiver Sparprozess. Es entstehen Diskussionen über die Prioritäten und Posterioritäten, welche die Synode enorm unter Druck setzen. In diesem Kontext bekräftigte der Kirchenpräsident Dr. Dr. hc Volker Jung in seinem Beitrag die politische Dimension der Entscheidung. Er warb dafür, die Priorität auf Jugendarbeit zu setzen. So setzte sich die Kirchenleitung gegen Leerstand, Verwaltungsgebäude und Verkauf ein. Die Synode entschied sich gegen den Vorschlag der Kirchenleitung.

In den nächsten Jahren wird die Kirche etwa ein Drittel ihrer Gebäude aufgeben müssen. Im Bereich der ursprünglich vier Tagungshäuser der EKHN hat sich die Synode entschlossen, nur die beiden Jugendbildungsstätten zu schließen.

Nicht nur bei Jugendlichen, auch in den Kirchengemeinden ist der Frust über den ausufernden und widersprüchlichen Prozess groß. Die Evangelische Jugend stellt deshalb die Frage, ob die Herausforderungen durch ekhn2030 überhaupt synodal zu lösen sind.

Thema 5: Wer sind wir

Die Evangelische Jugend in Hessen und Nassau e.V. ist der selbstständige Jugendverband der EKHN. Sie vertritt die jugendpolitischen Belange kirchlicher und verbandlicher Arbeit mit, von und für Kinder(n) und Jugendliche(n) und damit die Interessen von Kindern und Jugendlichen, Ehrenamtlichen und Hauptberuflichen im gesamten Arbeitsfeld Kinder und Jugend in der EKHN gegenüber Kirche, Staat und Gesellschaft. Ihre Mitglieder sind die 25 Dekanate der Landeskirche. Auf den Vollversammlungen der EJHN kommen zweimal im Jahr über 150 junge Delegierte, Gäste und Interessierte zusammen und nehmen dabei Stellung zu Themen der Gesellschaft, der Kirche und der Kinder- und Jugendarbeit.

https://www.ejhn.de/jugendbrauchtraeume/

Darmstadt, 08.05.2023

Der Vorstand der EJHN e.V.