Mitglieder der Dekanatsjugendkirche »Way to J« gehen in der Fastenzeit den Sieben Todsünden auf den Grund • Von Peter Bongard aus der Ev. Sonntagszeitung
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SELTERS. Sieben Wochen lang die eigene Trägheit überwinden, nicht habgierig sein, nicht zornig: Sieben Jugendliche wollen wissen, wie sich das anfühlt.

 

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Dürfen wir uns vorstellen? Habsucht, Trägheit, Zorn, Völlerei, Missgunst, Hochmut und Wolllust (von links) heißen wir.

 

Die Sieben Todsünden – das klingt nach ewiger Verdammnis, nach düsteren Hieronymus-Bosch-Gemälden und finsterem Mittelalter. Auf den ersten Blick haben sie nur noch wenig mit einer modernen Gesellschaft zu tun. Die Mobile Jugendkirche des Dekanats Selters »Way to J« glaubt aber, dass antiquiert klingende Begriffe wie Völlerei, Missgunst oder Trägheit sehr wohl noch eine Rolle spielen. Deshalb nehmen sie die Fastenzeit zum Anlass, sich sieben Wochen lang mit den Sieben Todsünden auseinanderzusetzen.

Sieben der jungen Leute nehmen sich jeweils eine dieser Verfehlungen vor. Natürlich nur zum Zweck der Untersuchung, nicht um selbst darin zu schwelgen. Eher im Gegenteil, wie Dekanatsjugendpfarrer Werner Schleifenbaum erklärt: »Wer sich selbst als zornig erlebt, versucht sieben Wochen lang, das nicht zu sein. Nicht auf andere Autofahrer zu schimpfen oder so etwas.« Möglichkeiten gibt es viele, meint der Theologe: »Wer habgierig ist, nimmt dann eben nicht mehr das letzte Stück Kuchen oder gibt der Klofrau statt ein paar Cent fünf Euro. Und dann schauen wir, wie sich das anfühlt.«

 

Sieben Wochen aufs Lügen verzichten

 

»Im vergangenen Jahr haben einige von uns versucht, sieben Wochen lang aufs Lügen zu verzichten«, erklärt Matthias Marschall, Mitglied bei »Way to J«. »Seitdem ging uns die Zahl Sieben nicht mehr aus dem Kopf. Das Spannende bei diesem Thema war für uns, dass es nicht nur um einen Bereich im Leben geht, sondern um mehrere.«

Bereiche, mit denen jeder der Jugendlichen Erfahrungen gemacht hat und die für jeden bedeuten, sich auch intensiv mit sich selbst zu beschäftigen. »Unser Ziel ist es nicht, am Ende der Fastenzeit sündenlose Menschen zu sein. Wir wollen uns besser kennenlernen und darauf achten, wie wir mit anderen umgehen«, sagt Helena Dreyhaupt.

 

Was hat der Tod Jesu mit den Todsünden zu tun?

 

Außerdem widmen sich die Jugendlichen der Frage, warum sie bei allem guten Willen nicht sündenfrei bleiben können. Eine Frage, die sie im Karfreitagsgottesdienst in Höhr-Grenzhausen zuspitzen wollen. »An diesem Tag geht es darum, was der Tod Jesu mit den Todsünden zu tun hat«, sagt Schleifenbaum und spricht die schwierige Balance an, die auf die Jugendkirche in den kommenden Wochen zukommt: Die Sieben Todsünden entstammen der Tradition der Katholiken, sie sind also nicht typisch evangelisch.

 

Den Blick nicht nur nach innen richten

 

»Das ist einerseits gut, weil es spannend ist, über den Tellerrand zu blicken«, meint Schleifenbaum. Andererseits stünden gerade protestantische Christen in der Gefahr, die Sündenvergebung als selbstverständlich hinzunehmen und es sich zu leicht zu machen: »Um es im Sinne Martin Luthers zu sagen: Wir brauchen uns nicht zu fürchten, dass uns unsere Verfehlungen in den ewigen Tod führen. Trotzdem sollten wir das Thema Sünde in den Strukturen der Gesellschaft und im eigenen Leben ernst nehmen und aus christlicher Verantwortung heraus dagegen angehen.«

Allerdings wollen die Jugendlichen den Blick nicht nur nach innen richten, sondern auch auf die Gesellschaft. Denn dort sind die Todsünden nicht totzukriegen. »Die Medien spielen damit – ob es das leichtbekleidete Model oder der Konsumwahn ist«, sagt Marschall. »Klar – wir sind Teil dieser Gesellschaft und setzen uns den Medien aus. Aber wir wollen mit der Aktion die Leute dafür sensibilisieren, was um sie herum passiert.« Schleifenbaum nennt die Habsucht als ein typisches Beispiel dafür, wie sich Fehlverhalten in die Gesellschaft fressen kann: »Die Gier ist eine Sünde, die in der Wirtschaft ja schon Struktur geworden ist.«