Artikel aus der Ev. Sonntagszeitung Nr. 25
Die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau hat die Segnung von eingetragenen Lebenspartnerschaften im Rahmen der Neufassung ihrer Lebensordnung aufgewertet. Die Segnung ist in der Landeskirche bereits seit 2003 möglich und wurde seitdem rund 120-mal praktiziert.
Die hessen-nassauische Kirchensynode hat auf einer Sondersitzung in Darmstadt mit großer Mehrheit die Neufassung der Lebensordnung verabschiedet und dabei die Segnung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften mit der Trauung weitgehend gleichgestellt. Damit wird künftig auch die Segnung als kirchliche Amtshandlung beurkundet, und die Paare bekommen eine Bescheinigung. Die Synode will in den kommenden Monaten weiter darüber beraten, ob die Segnung auch als Trauung bezeichnet werden kann.
Homosexualität kann als Teil der Schöpfung gesehen werden.
In dem Abschnitt V des Regelwerks heißt es unter anderem: »Heute wird davon ausgegangen, dass die gleichgeschlechtliche Orientierung zu den natürlichen Lebensbedingungen gehört. Homosexualität kann als Teil der Schöpfung gesehen werden. (…) Die Treue zu den biblischen Texten und die Bejahung gleichgeschlechtlicher Liebe schließen sich nicht mehr aus.« In der Frage der Gleichstellung übernimmt die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau damit eine Vorreiterrolle unter den Landeskirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Evangelische Tradition ebenso ernst nehmen wie die Lebenswirklichkeit der Menschen im 21. Jahrhundert
»Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau ist sich bewusst, dass diese Sichtweise in manchen anderen Kirchen abgelehnt wird«, heißt es in dem Papier. Die weitgehende Gleichstellung von Trauung und Segnung homosexueller Lebenspartnerschaften ist Teil einer neuen Ordnung für die Gemeindepraxis, die von der Synode bei drei Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen beschlossen wurde. Ein Hauptziel der Neufassung sei es, die evangelische Tradition ebenso ernst zu nehmen wie die Lebenswirklichkeit der Menschen im 21. Jahrhundert, sagte der Vorsitzende des Theologischen Ausschusses, Ulrich Weisgerber. Sie sei stetig weiterzuentwickeln und »nicht für die mittlere Ewigkeit« bestimmt.
Die – so der exakte Titel – »Ordnung des kirchlichen Lebens der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau« regelt unter anderem, nach welchen Leitlinien Gottesdienste, Trauungen, Taufen, Konfirmationen und Bestattungen ablaufen sollen. Der nun verabschiedete, etwa 40 Seiten umfassende Text ersetzt eine Fassung aus dem Jahr 1962. Dem Teilbeschluss zur weitgehenden Gleichbehandlung von Trauung und Segnung war eine anderthalbstündige, kontroverse Debatte vorausgegangen.
Auch Nicht-Mitglieder werden eingeladen, kirchliche Angebote zu nutzen
Während die Mehrheit der Synodalen davon sprach, dass die Zeit reif sei für diesen Schritt, fühlten sich einige theologisch konservative Synodale »unter Druck gesetzt«. Sie äußerten die Befürchtung, dass dadurch Menschen aus der hessen-nassauischen Kirche austreten könnten. Nach der neuen Ordnung werden künftig auch Nicht-Mitglieder und Ausgetretene eingeladen, kirchliche Angebote zu nutzen oder kirchliche Aufgaben zu unterstützen. Sie ermöglicht etwa Taufen von Kindern, deren Eltern keiner Kirche angehören, sowie Seebestattungen und Trauerfeiern in Friedwäldern. Erstmals wird in der Ordnung die Kindersegnung erwähnt. Sie ist künftig im Gottesdienst möglich, »darf aber nicht in Konkurrenz zur Säuglings- oder Kindertaufe stehen und muss von der Taufe deutlich unterschieden werden«.
»Höchste Zeit für eine Neuauflage der Lebensordnung«
Der Präses der Kirchensynode, Ulrich Oelschläger, würdigte eine »engagiert und sachlich geführte Debatte über zentrale Fragen des Gemeindelebens«. Es sei »höchste Zeit für eine Neuauflage der Lebensordnung« gewesen. Die meisten Regelungen zur Gemeindepraxis seien bereits »über ein halbes Jahrhundert alt und das Leben hat sich seitdem in vielen Dingen geändert«. Hauptziel der Neufassung sei es gewesen, so Oelschläger, die evangelische Tradition ebenso ernst zu nehmen wie die Lebenswirklichkeit der Menschen im 21. Jahrhundert: »Dass uns das gelungen ist, darauf dürfen wir stolz sein.«
Kirchenpräsident Volker Jung bezeichnete die neue Lebensordnung als »Leitfaden, der die Gemeinden bei ihrer Arbeit unterstützt und bestärkt«. Er begrüßte die Entscheidung zur Segnung. »Hier ist die bisherige Praxis der Segnungen von eingetragenen Partnerschaften konsequent in den Abschnitt über die Trauung integriert worden.« Nach evangelischem Verständnis seien beides Segenshandlungen und keine Sakramente. Zudem bleibe es den einzelnen Pfarrerinnen und Pfarrern sowie den Kirchenvorständen vorbehalten, Segenshandlungen abzulehnen. Dieses Vetorecht gelte bereits bei allen anderen Amtshandlungen. Auch Taufen oder Konfirmationen könnten abgelehnt werden.
Jung dankte allen an der Neufassung der Lebensordnung Beteiligten. In einem umfangreichen Prozess hatten sich neben einer Kommission der Kirchenleitung und den Ausschüssen der Kirchensynode unter anderem auch Universitätstheologen sowie 196 Gemeinden, insgesamt 14 Dekanatssynoden und elf Pfarrkonvente beteiligt.
http://www.ev-medienhaus.de/article/darauf-duerfen-wir-stolz-sein/blickpunkt/2013/25/5036